„Ich wusste schon immer, dass die MINT-Richtung zu mir passt.“ – Interview mit Data Science Expertin Sandra Herborg
Interview: Michael Schütz
Sandra Herborg ist Business Intelligence Consultant im Bereich Data Science und arbeitet bei dem Tech-Unternehmen Initions. Als junges Mädchen kam sie zu CyberMentor und durchlief alle Phasen des Programms. Seit ein paar Jahren ist sie nun Mentorin und gibt ihre Erfahrungen an Mentees weiter. Im Interview erzählt sie von ihrer Zeit als Mentee, von ihrem spannenden Job und von ihrer Rolle als Mentorin.
Hallo Sandra, schön, dass du dir die Zeit für ein Interview mit CyberMentor nimmst. Zum Einstieg gibt’s drei schnelle Fragen.

Was war dein Lieblingsfach in der Schule?
(Überlegt kurz) Mathe.
Welcher ist dein liebster MINT-Bereich?
Auch Mathe (lacht).
Nenne ein Hobby (abseits von deinen MINT-Interessen).
Sport, also Kampfsport. Ich trainiere All Aacht. Das ist auf Straßenkampfsituationen ausgelegt. Ich gebe mal ein Beispiel: Ich sitze im Bus und jemand macht mich von der Seite komisch an. Wenn er mich angreifen sollte, kann ich mich dagegen wehren. Es ist also vor allem ein Sport zur Selbstverteidigung.
Für dich hat eine neue Mentoring-Runde begonnen. Was machst du gerade mit deiner Mentee?
Wir sind noch in der Kennenlernphase. Ich beginne immer mit einer Mail, in der ich mich kurz vorstelle. So habe ich ihr zum Beispiel erzählt, was ich bisher so gemacht habe – also Schule und Studium – was meine Lieblingsfächer in der Schule waren und was ich jetzt beruflich mache. Meine Mentee hat sich zurückgemeldet und jetzt geht die Konversation erst einmal hin und her. Wir tauschen uns zum Beispiel über unsere Hobbies und Informatik in der Schule aus. Demnächst starten wir vielleicht ein kleines Projekt.
Wenn du nicht als Mentorin tätig bist, arbeitest du als Business Intelligence Consultant im Bereich Data Science. Was kann man sich darunter vorstellen?
Meine Teammitglieder und ich helfen anderen Firmen dabei, ihre Daten zu verarbeiten, die in der Regel in Dateien in verschiedenen Formaten gespeichert sind. Wir sortieren diese Daten, bereiten sie auf, schreiben sie in eine Datenbank oder in einen Datalake, damit unsere Kunden die Daten in einer anwendungsfreundlichen Form vor sich liegen haben. So können Leute, die mit der Technik im Hintergrund nichts zu tun haben, anhand von Diagrammen einfacher gewisse Entscheidungen treffen. Teilweise – je nach Projekt und Kundenanforderung – bauen wir aber auch Machine Learning Modelle, damit man gewisse Vorhersagen treffen kann.
Das klingt sehr theoretisch. Hast du da ein konkretes Beispiel?
Wir hatten einen Kunden aus der Energiebranche, der Offshore-Windparks simuliert hat. Die Firma will ihre Windräder dann natürlich nicht irgendwo hinstellen, sondern da, wo sie am effektivsten sind. Sie haben zum Beispiel simuliert, wie man die Windräder am besten anordnet, wie lange sie die Windräder abschalten müssen, falls sie im Winter vereisen würden, wie lange der Aufbau dauern würde und wie viel das alles überhaupt kostet.
Diese ganzen Informationen haben sie in einer Datei gesammelt. Es gab dann viele Simulationen, die man in einem bestimmten Dateiformat nur schwer miteinander vergleichen kann. Als erstes habe ich diese ganzen Dateien eingelesen. Ich habe die Daten erstmal aus diesem Format extrahiert und in ein Datenmodell geschrieben. Der Kunde hatte eine gewisse Vorstellung davon, welche Tabellen oder Grafiken er am Ende habe wollte. Deshalb habe ich die Daten aus den verschiedenen Tabellen wieder so zusammengebaut, dass er die Daten nur noch mit seinem Visualisierungstool abrufen musste.
Was waren die Herausforderungen bei dem Projekt?
Das Projekt war sehr spannend und wie ein großes Puzzle. Ich musste mir zum Beispiel darüber Gedanken machen, was nachher mit den Dateien passiert: Muss ich sie noch archivieren? Wie kann ich die Tabellen wieder aufbauen, wenn sie aus Versehen gelöscht wurden? Wenn dem Kunden etwas Neues einfällt, was er simulieren möchte: Wie kann ich den Code so schreiben, dass ich ihn nicht jedes Mal wieder anfassen muss, sondern dass er auch automatisch mit diesen Änderungen umgehen kann? Dazu habe ich eine Art Konfigurationsdatei entwickelt, in die der Kunde die notwendigen Informationen eintragen konnte. Vor allem das war eine Herausforderung: Wie kann ich sie am besten designen, damit der Kunde gut damit arbeiten kann, gerade wenn er keine Programmierskills hat und gleichzeitig aber auch das Programm noch weiß, was es tun muss? Im Grunde programmiere ich fast den ganzen Tag.
Wie kam es dazu, dass du dich speziell für den Informatik-Bereich entschieden hast?
Data Science fand ich an der Uni schon spannend. Mein Vater hat Informatik studiert und nachdem ich dann mit meinem Mathestudium angefangen habe, hat er mir einen Bericht geschickt, der von jemandem erzählt, der anhand von Daten von Spiegel Online Data Science greifbar gemacht hat (hier anzuschauen: https://www.youtube.com/watch?v=-YpwsdRKt8Q). Das fand ich super spannend. Deshalb habe ich ein Praktikum in diesem Bereich gemacht und meine Bachelorarbeit und auch Masterarbeit in dem Feld geschrieben. Dann war schon klar, dass ich auch beruflich in diese Richtung gehen möchte. Deshalb habe ich im Master mein Anwendungsgebiet von Informatik auf Data Science gewechselt.
Und wie bist du zu deinem jetzigen Job gekommen?
Nach dem Studium hatte ich das Problem, dass viele Firmen keine Berufseinsteiger im Data Science-Bereich genommen haben. Die Firmen haben Leute bevorzugt, die während der Arbeit in diesen Bereich gekommen sind. Das heißt, es waren ein paar Jahre Berufserfahrung gefordert. Bei Initions, meinem Arbeitgeber, war das überhaupt kein Problem. Und ich finde meine Arbeit auch immer sehr spannend. Dadurch, dass man alle paar Monate verschiedene Kundenprojekte hat, habe ich mit sehr vielen verschiedenen Daten zu tun. Ich muss die Daten immer bis zu einem gewissen Grad verstehen, um sie aufbereiten und visualisieren zu können. Dadurch bekommt man Einblicke in die unterschiedlichsten Lebensbereiche und versteht auch ein bisschen besser, wie die Welt drumherum funktioniert.
Es heißt, Informatik sei eine Männerdomäne. Wie fühlst du dich als Frau dort?
Während des Mathe-Studiums war ich die einzige Frau in meinem Semester, es sei denn man hatte Veranstaltungen mit den Lehrämtlern. Dann war die Geschlechterverteilung in den Vorlesungen meist so 50/50. Aber die Geschlechterverteilung hat da für mich überhaupt keine Rolle gespielt. Ich hatte zum Beispiel meine Lerngruppe mit sechs Jungs zusammen. Ich bin auch als Frau nie blöd angemacht worden von wegen „Du kannst doch das eh nicht.“
Jetzt bei der Arbeit sind wir in meinem Team ziemlich genau Hälfte Hälfte. Über die gesamte Firma hinweg sind es schon mehr Männer, aber es ist deutlich ausgeglichener als noch während des Studiums. Auch hier sehe ich nicht, dass das Geschlecht irgendeine Rolle spielt. Von den Kunden sagt dazu auch keiner was. Mir fällt es hin und wieder auf, wenn ich als einzige Frau mit sechs Männern in einem Call sitze, aber das ist – glaube ich – dem geschuldet, dass ich wegen CyberMentor darauf achte. Sonst würde mir das gar nicht auffallen.
Jetzt möchtest du deine Erfahrungen gerne an junge Mädchen weitergeben. Wie bist du damals auf CyberMentor aufmerksam geworden?
Es gab eine Info-Veranstaltung an meiner Schule. Zu der Zeit haben viele meiner Klassenkameraden gesagt: „Ohh, iiihhh. Du magst Mathe, was ist mit dir falsch!?“ Ich wusste aber schon immer, dass die MINT-Richtung zu mir passt. Meine Eltern haben schon früh zusammen mit mir zum Beispiel physikalische oder chemische Experimente gemacht. Mein Vater hat Informatik studiert, von daher hatte ich früh Berührungspunkte. Das ging bei mir schon in der Grundschule los. In dieser Zeit war neben Mathe auch Sachkunde mein Lieblingsfach. Auf dem Gymnasium kam dann noch Chemie und Physik hinzu. Das alles war schon sehr spannend in dieser Zeit.
Als dann CyberMentor vorbeikam, habe ich mir gedacht: „Super, dann kann ich doch mal bei CyberMentor schauen. Vielleicht finde ich dort Leute in meinem Alter, die ähnliche Interessen haben.“ Dann habe ich es einfach versucht und bin dabeigeblieben, weil meine Erwartungen absolut erfüllt wurden.
Das bedeutet, du hast schon als Mentee bei CyberMentor mitgemacht. Kannst du deinen CyberMentor-Weg beschreiben?
Ich bin jetzt seit 2011 bei CyberMentor. Ursprünglich bin ich als Mentee eingestiegen und hatte verschiedene Mentorinnen. Als ich mein Abi hatte, dachte ich mir: „Eine Mentorin brauche ich jetzt vielleicht nicht mehr unbedingt, aber selbst Mentorin sein? Dafür bin ich auch noch nicht weit genug!“ Also war ich eineinhalb Jahre als Senior-Mentee dabei – als Mentee ohne eigene Mentorin. Danach habe ich mich bereit gefühlt, als Mentorin anzufangen. In der nächsten Runde habe ich mich deshalb einfach als Mentorin zurückgemeldet. Seitdem betreue ich meine Mentees – was nicht heißt, dass ich nicht selbst auch noch mit anderen Mentorinnen Kontakt habe und von diesen profitieren kann. Gerade in meinem letzten Bewerbungszeitraum war ich viel mit Mentorinnen in Kontakt.
Wie hast du deine Mentee-Zeit erlebt?
Ich hatte in der Zeit drei oder sogar vier verschiedene Mentorinnen. Insgesamt war ich fünf Jahre als Mentee dabei. Mit einer Mentorin war ich zwei Jahre zusammen. Mit dieser habe ich auch heute noch hin und wieder Kontakt und wir haben uns ein paar Mal persönlich getroffen. Ich hatte beispielsweise ein Bewerbungsgespräch in Frankfurt und sie wohnt dort in der Gegend. Wir haben uns getroffen und sie hat mir die Stadt gezeigt.
CyberMentor hat mir sehr viele verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt. Als ich mich für eine Uni entscheiden wollte, hatte ich erst eine andere Uni in Betracht gezogen. Über CyberMentor habe ich eine Mentorin gefunden, die an der Uni Clausthal arbeitet. Sie hat mir eine Führung gegeben und Kontakt zu einem Mathe-Professor hergestellt, dem ich meine Fragen stellen konnte. Das war echt hilfreich, um meine Entscheidung zu bestätigen.
Wie gefällt dir die Rolle als Mentorin?
Es ist ein beidseitiger Austausch. Ich lerne viel darüber, was die Mentees in der Schule machen. Bisher hatte ich immer Mentees aus anderen Bundesländern. Ihre Erzählungen mit meiner eigenen Schulzeit zu vergleichen, finde ich sehr spannend. Umgekehrt schaue ich auch, dass ich meinen Mentees etwas Spannendes mitgeben kann. Als Mentorin bin ich schon der Part, der die Konversation führt und Ideen und Denkanstöße gibt.
Was möchtest du jungen Mädchen mit auf den Weg geben, die sich wie du für MINT interessieren?
Lasst euch nicht von eurem Weg abbringen! Bei mir haben in der Schule alle negativ über Mathe geredet. Das war jetzt nicht geschlechterspezifisch, sondern die einhellige Meinung. Wenn ich mich damals davon hätte abbringen lassen, wäre ich jetzt nicht da, wo ich gerade bin. Und dort bin ich super glücklich. Also, wenn ihr merkt, etwas macht euch Spaß, dann verfolgt es weiter und gebt nicht auf.
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