Über KI, CyberMentor und die Entwicklung einer eigenen App – Interview mit ehemaliger Mentee Maria-Theresa

Interview: Fabian Reitberger

Besonders bemerkenswert ist es, wenn sich Mentees auch außerhalb von CyberMentor im MINT-Bereich engagieren und etwa eigene Projekte und Ideen umsetzen. Unsere ehemalige Mentee Maria-Theresa hat beispielsweise zusammen mit einem Freund MAIWY entwickelt, eine KI-gestützte App zur Erkennung von Weinblattkrankheiten. Was für sie der Anlass war, eine solche App zu programmieren, wie die einzelnen Entwicklungsschritte abliefen, was die Winzer*innen darüber berichten und was Maria-Theresa euch raten würde, wenn ihr auch ein eigenes Projekt umsetzen möchtet, erfahrt ihr hier im Interview mit ihr.

Wir interessieren uns für den Transfer unseres theoretischen Wissens über künstliche Intelligenz in ein nachhaltiges, Impact schaffendes Projekt, um einen relevanten Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Unsere Heimatregionen Pfalz und Baden sind vom Weinanbau geprägt und wir erleben den Pestizideinsatz vor Ort direkt mit. Die Pestizide breiten sich durch Luft, Boden und Wasser aus und verursachen schwere gesundheitliche Schäden bei uns Menschen und belasten unsere Natur. In Gesprächen mit verschiedenen Winzern erfuhren wir Einzelheiten über die Problematik von Blattkrankheiten sowie Mangelerscheinungen und dem damit verbundenen Ertragsausfall.

Abb. 1: Echter Mehltau.
Abb. 2: Falscher Mehltau.
Abb. 3: Esca-Krankheit.

Daher haben wir beschlossen, eine App zur Erkennung von Weinblattkrankheiten zu programmieren, welche eine schnelle Analyse direkt vor Ort ermöglicht, lokale Ausbreitungen nachverfolgt und somit eine frühe, gezielte Behandlung der Krankheit/Mangelerscheinung ermöglicht. Dadurch kann der Pestizideinsatz zukünftig verringert und gleichzeitig der Ernteertrag erhöht werden.

Abb. 4: Mentee Maria-Theresa.

Zunächst haben wir uns mit den verschiedenen Blattkrankheiten vertraut gemacht und sind dazu in den Austausch mit Experten von Forschungsinstituten für Rebzüchtung getreten. Da zunächst kein Datensatz für unsere Idee vorhanden war, haben wir eigenständig sehr viele Bilder von Weinblättern und Weinblattkrankheiten gemacht, welche wir gemeinsam mit dem Julius-Kühn-Institut in verschiedene Krankheitsklassen eingeordnet haben. Als wir ausreichend Daten gesammelt hatten, starteten wir mit dem Programmieren einer künstlichen Intelligenz (KI) und Training des neuronalen Netzes. Währenddessen haben wir ein UI (User Interface, das Erscheinungsbild einer App) entwickelt und die App programmiert. Durch die Teilnahme an Wettbewerben konnten wir wichtiges Feedback und Tipps sammeln und umsetzen. Inzwischen verfügen wir über einen internationalen Nutzerkreis für unsere App mit dem Namen MAIWY.

Für die Aufnahme des Datensatzes haben wir uns ein Jahr Zeit genommen, da die unterschiedlichen Krankheiten nur unter bestimmten (vor allem Wetter-) Bedingungen und zu verschiedenen Jahreszeiten auftreten. Außerdem mussten wir genügend Bilder sammeln, um ein effektives Training der KI zu ermöglichen. Wir sammeln auch stetig weiter neue Bilder und pflegen neue Krankheitsbilder in die KI ein. Die App Entwicklung haben wir im Winter programmiert, sodass die App im Folgejahr als Betaversion (eine frühe, noch unfertige Version) verfügbar war. Natürlich ist dies alles ein ständiger „on-going-process“. Wir erweitern kontinuierlich den Datensatz, die KI wird darauf trainiert und optimiert und das User Interface der App wird an das Nutzerfeedback angepasst.

Unsere App wurde über 1100-mal gedownloadet und verzeichnet einen international aktiven und wachsenden Nutzer*innenkreis.

Die Anwendungsbereiche unserer Nutzer*innen sind sehr vielfältig: Wir stehen in Kontakt mit Weinbaubetrieben, die die Integration in ihren Alltag testen, ebenso wie mit privaten Winzer*innen, die unverbindlich ihre Weinreben untersuchen wollen. Zudem erhielten wir internationale Anfragen, für die wir die Freigabe der App in den jeweiligen Ländern in den App Stores freischalten mussten. Besonders freuen wir uns, dass Hobbywinzer*innen sehr zufrieden mit unserer App sind, was sich auch in den positiven App Store Rezensionen widerspiegelt. Natürlich unterscheidet sich das sehr vom bisherigen Vorgehen des prophylaktischen und großflächigen Einsatzes von Pestiziden. Hinzu kommt, dass nicht alle Winzer der neuen Technologie KI aufgeschlossen gegenüberstehen. Hier ist noch viel Aufklärung nötig, aber gleichzeitig ist es auch eine große Chance mit enormem Potential, Vertrauen in die neue Technologie durch ein positives Anwendungsbeispiel in der Gesellschaft zu generieren. Parallel arbeiten wir daran, die Nutzung für Betriebe zu vereinfachen und weitere, seltenere Blattschädlinge und Mangelerscheinungen zu implementieren. Auf unserer Website www.maiwy.de sind Testimonials sowohl von Deutschen Weinköniginnen als auch von einer Weinbau-Expertin zu finden.

Wir haben viele Ideen, wie wir MAIWY mit neuen Funktionen und Features ausstatten können. Wir erweitern stetig unseren Datensatz und probieren auch neue intelligente Algorithmen aus, welche auf weniger Bilddaten gut trainiert werden können, um seltene Blattkrankheiten früher zu erkennen. Langfristig möchten wir unser Modell auf andere Plattformen integrieren, wir denken an Drohnen oder Traktoren, um eine automatisierte Erkennung und Behandlung zu ermöglichen. Ferner könnten wir uns auch vorstellen, Satellitendaten zur Erkennung zu nutzen.

Trau dich zu starten, auch wenn du am Anfang vielleicht noch keine Ahnung vom Programmieren oder von App-Programmierung hast, mit Motivation und Neugier wirst du es lernen. Bitte deine Mentorin um Hilfe und suche dir Freunde, zum Beispiel aus der CyberMentor Community mit denen du das Projekt gemeinsam durchführst. Durch das Vernetzen könnt Ihr euch ergänzen, Stärken ausbauen und Schwächen abbauen, ihr könnt gegenseitig voneinander lernen und das gemeinschaftliche Projekt besser und mit mehr (Lösungs-) Ideen voranbringen. Gerade wenn es mal nicht so „rund“ läuft, ist es enorm wichtig, dass jemand zur Seite steht und den nötigen Motivationsschub gibt.

Während der ersten Projekte, aber auch während der Programmierung von MAIWY wusste ich, dass ich jederzeit meine Mentorin um Rat bitten kann und sie ihr Wissen an mich weitergibt, beziehungsweise das Projekt unterstützt. Weiterhin wurde ich durch die anderen Mentees, welche an Wettbewerben teilgenommen haben, und deren Berichten ermutigt, selbst an Wettbewerben teilzunehmen und mit meinem Projekt zu starten. Zusammengefasst hat CyberMentor, beziehungsweise die Community, aber vor allem meine Mentorin Carina Kaltenbach mich immer motiviert, bestärkt und ermutigt und mich bei der Umsetzung des Projektes und meiner Karriereplanung enorm unterstützt. So durfte ich inzwischen sogar bei dem erfolgreichen Start-up Unternehmen, in dem meine Mentorin tätig ist, ein Praktikum absolvieren und dort meine KI-Kenntnisse im medizinischen Bereich, konkret der Radiologie, anwenden und mein Wissen vertiefen.

Natürlich kann ich mir sehr gut vorstellen zu einem späteren Zeitpunkt selbst in die Rolle einer Mentorin zu schlüpfen. Es gibt nach wie vor sehr viel ungenutztes Potential, da junge Mädchen weiterhin oft nicht in ihren MINT-Interessen bestärkt und nachhaltig gefördert werden. Programme wie CyberMentor sind sehr gut und absolut essentiell, aber nicht alleine ausreichend. Als Basis ist meiner Meinung nach ein breites Umdenken in der Gesellschaft notwendig, damit MINT-fördernde Programme für mehr junge Mädchen zugängig werden. Gerade bei den Menschen, die für die frühe Förderung der Kinder maßgeblich entscheidend sind und die einer MINT-Förderung für Mädchen zustimmen und diese aktiv unterstützen müssen, ist noch viel Veränderung und Aufklärung nötig. Hier denke ich besonders an das direkte familiäre Umfeld der Mädchen wie Eltern und Großeltern. Dieses Umdenken erfordert viel Mut von den Familien, denn bisherige Normen und Rituale müssen aufgebrochen und unserer jetzigen und zukünftigen Welt und Lebensweise angepasst werden. Wenn MINT-Workshops und Angebote vergleichbar mit Babyschwimmen auf der „To-do Liste“, dem Entwicklungs- und Erziehungsplan vieler Erziehungsberechtigten für Mädchen stehen, dann wird dies eine große Veränderung und natürlich auch eine Chancengleichheit für Mädchen mit MINT-Interessen und Talent in unserer Gesellschaft bewirken.

Bildquellen und Abbildungen:
Abb. 1: https://www.maiwy.de/startseite/die-verschiedenen-krankheiten/echter-mehltau
Abb. 2: https://www.maiwy.de/startseite/die-verschiedenen-krankheiten/falscher-mehltau
Abb. 3: https://www.maiwy.de/startseite/die-verschiedenen-krankheiten/esca
Abb. 4: Foto Copyright Maria-Theresa.

Für mehr Infos zu MAIWY, siehe:  https://www.maiwy.de/

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